

Fahrzeug zu Unrecht sichergestellt!
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2024, Aktenzeichen 7 A 10988/23.OVG
Bei verbotenen Kraftfahrzeugrennen nach § 315d StGB dürfen die daran beteiligten Fahrzeuge (Autos, Motorräder, etc.) sichergestellt werden.
Das wussten auch zwei Polizeibeamte, als sie zwei Motorradfahrer anhalten wollten. Diese waren aufgefallen, weil sie, die nach ihrer Einschätzung mit ca. 80 bis 100 km/h auf einer Straße fuhren, wo eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erlaubt ist.
Die Polizeibeamten folgten ihnen bis zu einer Ampel und forderten sie auf, in eine Seitenstraße zu fahren, um dort eine Verkehrskontrolle durchzuführen. Während ein Fahrer flüchtete, leistete der andere den Anweisungen der Polizeibeamten Folge.
Nach Belehrung darüber, dass der Motorradfahrer Beschuldigter eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens, d.h. einer Straftat nach § 315d StGB sei, stellten sie das Motorrad doppelfunktional sicher. Doppelfunktional bedeutet, sowohl im Rahmen der Strafverfolgung als auch zur Gefahrenabwehr. Zudem wurde die Beschlagnahme des Führerscheins angeordnet.
Das Strafverfahren wurde eingestellt, das Motorrad aber nicht herausgegeben!
Das Strafverfahren wurde vom Amtsgericht Ludwigshafen im April 2023 wegen geringer Schuld gemäß § 153 StPO eingestellt. Das Motorrad blieb aber – aus Gründen der Gefahrenabwehr – weiterhin sichergestellt und wurde nicht herausgegeben.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren und einer Niederlage vor dem Verwaltungsgericht, legte der Motorradfahrer Berufung zum Oberverwaltungsgericht ein. Dieses änderte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab, hob den Sicherstellungsbescheid auf und ordnete die Herausgabe des Motorrades herauszugeben.
Warum durfte das Motorrad nicht sichergestellt werden?
Für die Rechtswidrigkeit der Sicherstellung waren gleich mehrere Aspekte entscheidend.
Nach § 22 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Gegenwärtig ist eine Gefahr, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen habe oder unmittelbar bzw. in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht.
Die Gefahrenprognose der Polizeibeamten war nicht angebracht!
Selbst wenn die Polizeibeamten das Verhalten des Klägers als strafbares Straßenrennen hätten bewerten dürfen, was dahingestellt bleiben könne, trage dieser Umstand dem Gericht zufolge nicht die Prognose einer gegenwärtigen Gefahr. Mit dem Anhalten des Klägers im Rahmen der anlassbezogenen Verkehrskontrolle sei das – unterstellte – strafbare illegale Kraftfahrzeugrennen des Klägers beendet gewesen. Die anschließende Sicherstellung sei demgemäß nicht zu dem Zweck erfolgt, das von den Beamten als Kraftfahrzeugrennen eingestufte Verhalten zu stoppen, sondern das Begehen künftiger Verkehrsstraftaten zu verhindern. Es hätten jedoch keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger in allernächster Zeit nach der Verkehrskontrolle mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seinem Motorrad an einem (weiteren) illegalen Straßenrennen teilgenommen oder sonstige Straftaten im Verkehr begangen hätte.
Sind Verkehrssünder per-se unbelehrbar?
Es gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, demzufolge von der Polizei ertappte „Verkehrssünder“ sich generell unbelehrbar zeigen und von sich von angedrohten Bußgeldern, Fahrverboten oder gar – wie hier –eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht beeindrucken lassen.
Im Regelfall beeindrucken diese Mittel und Sanktionen den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer so nachhaltig, dass er von der umgehenden Begehung erneuter Verkehrsverstöße bzw. Straßenverkehrsdelikte absieht. Daran ändern auch Ausnahmefälle nichts, z.B. wenn der Fahrzeugführer infolge von Alkohol- oder Drogenkonsum enthemmt ist, ändern daran nichts.
Vorherige Verstöße und eine hohe Motorleistung sind kein Grund!
Auffällig viele Verkehrsverstöße in der Vergangenheit oder gar Fahren ohne Fahrerlaubnis können zwar auf eine Unbelehrbarkeit des Täters hindeuten. Aber selbst ein zurückliegendes strafbares Verhalten reicht für die Annahme nicht aus, um davon auszugehen, dass er in allernächster Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Straßenverkehrsdelikte begehen wird.
Gleiches gilt für andere Umstände, zu denen insbesondere die Motorisierung gehört. Selbst ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines illegalen Straßenrennens, das aber nicht zu einer entsprechenden strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, ist als Grundlage für eine Sicherstellung nicht geeignet.
Fazit
Die Grundsätze des Urteils lassen sich unproblematisch auf andere Kraftfahrzeuge übertragen und die Sicherstellung von Autos ist inzwischen auch kein Einzelfall mehr.
Sollte Ihr Fahrzeug sichergestellt worden sein oder sollte Ihnen ein Verstoß vorgeworfen werden, kontaktieren sie uns!
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Bidnachweis: Robert So / Pexels
(Veröffentlichungsdatum: 02.07.2024)
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Henning Hamann
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