Fahrtenbuchauflage? Behörden müssen googeln!

VG Berlin, Urteil vom 26.06.2024, Az. 37 K 11/23

Wenn die Bußgeldbehörde den Fahrer nicht findet, stellt sie das Verfahren ein. Das ist gut für den Fahrer. Aber für den Halter kann es bedeuten, dass er ein Fahrtenbuch führen muss.

Doch es gibt ein Problem: Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Behörde nur dann ein Fahrtenbuch anordnen, wenn die Behörde nicht feststellen kann, wer ein Fahrzeug gefahren ist.

Die Bußgeldbehörde muss die angemessenen und zumutbaren Möglichkeiten nutzen!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass die Behörde nicht einfach aufgeben darf. Die Behörde muss alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Fahrzeugführer zu ermitteln. Nur wenn sie das nicht kann, gilt die Feststellung als unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO.

Zunächst hat die Behörde den Halter des Fahrzeugs innerhalb von zwei Wochen über den Verkehrsverstoß zu informieren. Damit hat er die Möglichkeit die wer zur Tatzeit das Fahrzeug geführt hat, zu beantworten und kann – bei eigener Täterschaft – gegebenenfalls Entlastungsgründe vorbringen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.10.1978, Az. BVerwG VII C 77.74 und 49.77; Beschl. v. 14.05.2008, Az. BVerwG 3 C 2.07; v. 25.06.1987, Az. BVerwG 7 B 139.87). Was die Ermittlungen der Behörde betrifft, so darf sie diese an den Erklärungen des Halters ausrichten. Zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen muss sie zwar nicht betreiben (vgl. BVerwG, v. 17.12.1982, Az. BVerwG 7 C 3.80; Urt. v. 23.04.1971, Az. BVerwG VII C 66.70). Naheliegende Maßnahmen sind jedoch zumutbar.

Im Zweifel muss die Behörde „googeln“!

Dem Verwaltungsgericht Berlin zufolge, hat die Behörde die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nicht hinreichend ausgeschöpft. Denn anhand des Fahrzeugtyps und der Haltereigenschaft der Klägerin als juristische Person des Privatrechts wäre eine Google-Recherche zumutbar gewesen. So konnte z.B. der Richter den Fahrzeugführer ohne großen Aufwand identifizieren, auch ohne sich bei Facebook, Twitter oder Xing anzumelden.

Für ihn war es daher unverständlich, dass die Behörde diese einfache Möglichkeit nicht genutzt hat. Schließlich waren die Informationen zugänglich und entsprechend der Datenschutzgrundverordnung verwertbar. Und um den Fahrer zu finden, musste er bei der Google Bildersuche nur den Firmennamen und den Namen des Geschäftsführers eingeben.

Das Urteil zeigt: Behörden dürfen es sich nicht zu einfach machen, wenn sie eine Fahrtenbuchauflage verhängen. Sie dürfen naheliegende Ermittlungsmethoden nicht einfach ignorieren.

Dies gilt schon deshalb, weil die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eine präventive und keine strafende Funktion hat. Sie setzt tatbestandlich nicht voraus, dass der Halter seine Mitwirkungsobliegenheiten schuldhaft nicht erfüllt hat oder die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers sonst zu vertreten hat (vgl. OVG des Saarlandes, Beschl. v. 07.06.2023, Az. 1 B 51/23; OVG NRW, Beschl. v. 30.05.2023, Az. 8 A 464/23; OVG Schleswig, Urt. v. 08.12.2022, Az. 5 LB 17/22).

Das Verwaltungsgericht Berlin hat klargestellt, dass die von der Behörde geübte Praxis im Widerspruch dazu steht, weil sie die Fahrtenbuchauflage – mangels Mitwirkung des Halters – als sanktionierendes Korrektiv für den erfolglosen Ausgang des Ordnungswidrigkeitenverfahrens versteht.

Dies ist nicht zuletzt auch deshalb von Bedeutung, weil eine Fahrtenbuchauflage im Zweifel eben nicht nur auf ein einzelnes Fahrzeug beschränkt sein muss, sondern auch auf den gesamten Fuhrpark erstreckt werden kann (z.B. VGH München, Beschl. v. 11.06.2024, Az.11 CS 24.628)!

Fazit

Bei der Ahndung von Verkehrsverstößen oder der Verhängung von Fahrtenbuchauflagen machen es sich die Behörden manchmal zu einfach. Wenn Sie einen Anhörungsbogen oder einen Bußgeldbescheid erhalten haben, kontaktieren Sie uns.

Wir prüfen den Fall und regeln das!

(Veröffentlichungsdatum: 16.08.2024)