Zum Absehen vom Fahrverbot: Wenn das Verfahren länger dauert
AG Aschersleben, Urteil vom 20.02.2023, Az. 62 OWi 29/22
Wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet obwohl die Geschwindigkeitsbegrenzung bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte auffallen können, erhält in der Regel alsbald auch Anhörungsbogen und Bußgeldbescheid. Besonders ärgerlich ist es, wenn dabei nicht nur eine Geldbuße zu bezahlen ist, sondern auch noch Punkte und ein Fahrverbot dazukommen.
Dass es aber auch anders gehen kann, hat das AG Aschersleben mit dem hier zitierten Urteil gezeigt, bei dem der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle spielte.
Geschwindigkeit ist gefragt!
Dass das AG Aschersleben den Betroffenen lediglich wegen fahrlässiger Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 300 € verurteilte und kein Fahrverbot verhängte, hing nicht zuletzt damit zusammen, dass die Behörde sich ungewöhnlich viel Zeit gelassen hatte.
Denn ein Fahrverbot kann seine Warnungs- und Besinnungsfunktion – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt (OLG Hamm, Beschluss vom 23.07.2007, Az. 2 Ss 224/07).
Von der Verhängung eines Fahrverbots kann daher abgesehen werden, wenn es seinen Sinn verloren hat. Dies kann insbesondere dann gegeben sein, „wenn die ahndende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände auch außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist“ (OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2021, Az. (1 B) 53 1 Ss-Owi 334/20 (279/20). Denn „nach mittlerweile gefestigter obergerichtlichen Rechtsprechung der Sinn des Fahrverbots dann in Frage zu stellen ist, wenn die zu ahnende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt“ (s.a. KG Berlin, Beschl. v. 15.12.2021, Az. 3 Ws (B) 204/21; OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2021, Az. 1 OLG 53 Ss-OWi 221/21; Beschl. v. 24.04.2020, Az. (1 B) 53 Ss-OWi 174/20 (104/20); OLG Hamm, Beschl. v. 24.03.2011, Az. III-3 RBs 70/10); OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschl. v. 03.08.2011, Az. 2 SsBs 172/11). Das OLG Schleswig hatte mit Beschluss vom 22.07.2021, Az. I OLG 135/21 entschieden, dass ein Fahrverbot als Denkzettel- und Gesinnungsmaßnahme nicht mehr geboten ist, wenn zwischen der Anordnung und dem Urteil ca. 4,5 Jahre vergangen sind. S.a. AG Aschersleben, Urt. v. 20.02.2023, Az.62 OWi 29/22.
Das Urteil vermag insoweit nicht zu überraschen, als auch z.B. das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 13.01.2023, Az. 1 Rb 36 Ss 778/22) oder das BayObLG München (Beschl. v. 21.11.2022, Az. 201 ObOWi 1291/22) festgestellt haben, dass der Sinn des Fahrverbots in Frage zu stellen ist, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt.
Das Verhalten des Betroffenen war mitentscheidend!
Den Feststellungen des Gerichts zufolge, lief der lange Zeitablauf zwischen dem Verstoß von immerhin 1,5 Jahren bis zur Entscheidung dem vom Gesetz verfolgten Zweck der Sanktion von wiederholten Verstößen entgegen.
Unter Bezugnahme auf die oben genannte Rechtsprechung, kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Einwirkung auf den Betroffenen in Form eines Fahrverbots war in Anbetracht der Umstände nicht mehr erforderlich war. Das Absehen vom Fahrverbot hatte es aber bei der Bemessung der Höhe des Bußgeldes berücksichtigt.
Fazit
Manchmal hat es auch Vorteile, wenn die Behörde nicht in die Strümpfe kommt. In allen anderen Fällen gilt: Sprechen Sie mit uns!
(Veröffentlichungsdatum: 10.05.2023)
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Henning Hamann
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