

Für welche Strecke gilt ein Vorfahrtsschild?
LG Saarbrücken, Urteil vom 13.06.2024
Als ein Auto an einer Kreuzung nach links abbiegen wollte, stieß es mit einem von rechts kommenden Fahrzeug zusammen. Beide Fahrer waren der Meinung, Vorfahrt zu haben.
Der Linksabbieger begründete dies damit, dass sich am Beginn der Straße das Verkehrszeichen 306 (Vorfahrtsstraße) befunden habe und auch wiederholt werde. Dass dies Im Einmündungsbereich nicht der Fall gewesen sei, führe jedoch nicht zur Anwendung der Vorfahrtsregelung „rechts vor links“.
Der Fahrer des von rechts kommenden Fahrzeugs sah sich im Recht , weil die Kreuzung nicht beschildert gewesen sei. Mangels Beschilderung habe daher die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gegolten. Außerdem habe der Linksabbieger vor der Kreuzung ein Ortseingangsschild passiert habe. Die Geltung des Zeichens „306“ sei daher aufgehoben gewesen und es hätten die Vorschriften über den Verkehr innerhalb geschlossener Ortschaften (Abschnitt 2 zu 5 und 6 der Anlage zu § 42 Abs. 2 StVO) gegolten
Verkehrszeichen können die allgemeine Vorfahrtsregelung aufheben!
Das OLG Saarbrücken sah das anders.
Zunächst stellte es fest, die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO gelte dann nicht, wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist.
Dies könne z.B. der Fall sein, bei den Warte- und Haltegeboten „Vorfahrt gewähren“ (Zeichen 205, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) und „Halt. Vorfahrt gewähren.“ („Stoppschild“, Zeichen 206, Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO,) sowie bei den Vorrangzeichen „Vorfahrt an der nächsten Kreuzung oder Einmündung“ (Zeichen 301, Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO) und „Vorfahrtsstraße“ (Zeichen 306, Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Ist ein solches Verkehrszeichen aufgestellt, kann sich ein von rechts kommender Autofahrer nicht auf sein vermeintliches Vorfahrtsrecht berufen.
Bis wohin gilt die Regelung durch ein Vorfahrtsschild?
Das Zeichen 306 („Vorfahrtsstraße“) gewährt die Vorfahrt ohne Rücksicht darauf, ob es an jeder Kreuzung oder Einmündung wiederholt werden muss (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1976, Az. VI ZR 257/75).
Nach Abschnitt 1 zu 2 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO besteht die Vorfahrt auf dem ganzen Verlauf der Straße und bis ein Zeichen 205 „Vorfahrt gewähren“,206 „Halt. Vorfahrt gewähren.“ oder 307 „Ende der Vorfahrtsstraße“ eine neue Regelung trifft (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 13.07.1976, Az. 5 U 46/76).
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war ein die Vorfahrt aufhebendes Zeichen bis zur Kollisionsstelle nicht vorhanden. Das Zeichen 306 galt daher zugunsten des Geradeausfahrers weiter.
Was besagt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO)?
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) schreibt den Behörden zwar vor, an jeder Kreuzung und Einmündung (auch) das Zeichen 205 oder 206 anzubringen (VwV-StVO, zu § 42 Richtzeichen, zu den Zeichen 306 und 307, Rn. 3). Diese doppelte Beschilderung ist aber nur aus Sicherheitsgründen vorgeschrieben (BGH, Urt. v. 21.12.1976, Az. VI ZR 257/75). An der Fortgeltung der durch das „Zeichen 306“ getroffenen Regelung ändert dies nichts.
Wird durch das Zeichen 306 Vorfahrt gewährt, gilt dies für den gesamten Verlauf der Vorfahrtstraße. Die Vorfahrt endet erst, wenn ein Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren), 206 (Halt. Vorfahrt gewähren.) oder 307 (Ende der Vorfahrtstraße) eine neue Regelung trifft. Darauf, ob das Zeichen 306 an jeder Kreuzung oder Einmündung wiederholt wird, und darauf, ob in der anderen Straße negative Vorfahrtszeichen angebracht sind, kommt es nicht an.
Was bewirkt ein Ortseingangsschild?
Ein Ortseingangsschild zeigt an, dass ab diesem Punkt eine geschlossene Ortschaft beginnt und ab diesem Punkt die (an anderer Stelle aufgestellten) Schilder für den Verkehr innerhalb geschlossener Ortschaften bestehenden Vorschriften gelten.
Im Gegensatz zu einer Geschwindigkeitsregelung, wird eine vor dem Beginn der Ortschaft getroffene Vorfahrtsregelung nicht tangiert. Eine Regelung dahingehend, dass ab dem Ortsschild die allgemeine Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt, kann daraus nicht abgeleitet werden.
Dies gilt auch dann, wenn die Behörde, die das Zeichen 306 (Vorfahrtstraße) aufgestellt hat, für den innerörtlichen Bereich nicht zuständig war.
Fazit und Zusammenfassung
Wer an einem Zeichen „Vorfahrtstraße“ vorbei gefahren ist, darf – solange er nicht ein entgegenstehendes Zeichen passiert hat – darauf vertrauen, dass die Vorfahrtsregelung fortbesteht. Das Passieren eines Ortschildes mag zwar für die zu beachtendes Höchstgeschwindigkeit von Bedeutung sein. Eine zuvor getroffene Die Vorfahrtregelung bleibt davon aber unberührt.
(Veröffentlichungsdatum: 22.01.2025)
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