
Sind Berufskraftfahrer immun gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis?
OVG Münster, Beschluss vom 23.07.2025, Az. 16 B 425/25
Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist ein scharfes Schwert!
Gemäß § 4 Abs. 5 StVG gelten Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn ihr Konto im Fahreignungsregister acht Punkte aufweist. Wer viel unterwegs ist, bei dem kann sich das Konto theoretisch auch schneller füllen. Daher wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob es „Sonderregelungen für Vielfahrer” gibt.
Es war daher nicht ungewöhnlich, dass einem Berufskraftfahrer, die Fahrerlaubnis entzogen werden sollte, nachdem er acht Punkte auf seinem Konto angesammelt hatte. Ebenso wenig ungewöhnlich war es, dass der betroffene Kraftfahrer sich dagegen wehrte.
Ermahnung nicht erhalten?
Seine Verteidigung stützte er insbesondere darauf, dass nicht nachgewiesen werden könne, dass er eine Ermahnung erhalten habe, die vor der Begehung einer punkterelevanten Ordnungswidrigkeit ausgesprochen worden sei.
Da sich dies jedoch anhand der Postzustellungsurkunde widerlegen ließ, lief der Einwand ins Leere. Auch die Behauptung des Betroffenen, er habe eine andere Verwarnung erst nach dem ausschlaggebenden Verkehrsverstoß erhalten, verfing nicht.
Im Detail führte das Gericht hierzu aus: “Das abgestufte und transparente System mit Ermahnung und Verwarnung, mit Hilfestellungen durch Fahreignungsseminare mit und ohne Punktabzug, mit der Ankündigung der Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht Punkten, mit der Regelung des § 4 Abs. 6 StVG, die sicherstellt, dass alle Maßnahmenstufen durchlaufen werden, bevor nach Erreichen von acht Punkten unwiderlegbar von Ungeeignetheit auszugehen ist, und mit den Tilgungsregelungen rechtfertigt die Annahme, dass Personen als ungeeignet zum Führen von Kfz anzusehen sind, die acht oder mehr Punkte erreicht haben.“
Zudem hätten die Maßnahmenstufen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG weder eine Warn- noch eine Erziehungsfunktion.
Schutz wegen Existenzgefährdung?
Das Argument, die Entziehung der Fahrerlaubnis führe zu einer Gefährdung der Existenz des Betroffenen, ließ das Gericht nicht gelten.
Es sah dies zwar, vertrat jedoch die Auffassung, dass die mit der Entziehung verbundenen Auswirkungen auf die berufliche Existenz sowie die Befürchtung, im Falle einer Arbeitslosigkeit Sozialleistungen beziehen zu müssen, nicht ausreichen würden, um von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen.
Diesbezüglich führte das Gericht aus, die Entziehung der Fahrerlaubnis beruhe auf dem gesetzlichen System der Punkte im Fahreignungsregister. Dieses gehe davon aus, dass Fahrer, die acht oder mehr Punkte erreicht haben, eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. Aus Sicht des Gerichts war die Maßnahme daher auch nicht unverhältnismäßig.
Genießen Vielfahrer besonderen Schutz?
Die vom Betroffenen angeführten „Korrekturmöglichkeiten” für Berufskraftfahrer konnte das Gericht nicht erkennen. Dies galt insbesondere auch im Hinblick auf den diesbezüglich von ihm angeführten Beschluss des VGH München vom 19.12.2024, Az. 11 C S 24.1933.
Denn anders als der Betroffene ausführte, ist die Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht Punkten zwingend zu entziehen. Dies gilt auch für Vielfahrer und Personen, die beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen sind.
Es komme daher „weder darauf an, ob der Betroffene Unfälle im Straßenverkehr verursacht hat, noch bedarf es eines Nachweises, dass die Verstöße zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hätten. Abgesehen von der praktischen Schwierigkeit, die Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, kommt in den zahlreichen Zuwiderhandlungen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften jedenfalls ein Gefahrenpotenzial zum Ausdruck, das einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die Entziehung der Fahrerlaubnis bietet.“
Fazit
Die Entscheidung zeigt: Nach dem Erreichen von acht Punkten im Fahrerlaubnisregister ist der Entzug der Fahrerlaubnis kaum abzuwenden. Anders sieht es dagegen beim Absehen von Fahrverboten aus. Zwar sind berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten auch hier regelmäßig hinzunehmen (OLG Hamm, Beschl. v. 22.08.2005, Az. 3 Ss OWi 421/05). Die Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot abgesehen wird, hängt indes stark von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. z.B. OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2021, Az. (1 B) 53 Ss-OWi 334/20 (279/20). Anders als in der hier zugrundeliegenden Entscheidung, kann es beim Absehen von einem Fahrverbot eben durchaus eine Rolle spielen, ob eine besondere Härte, wie beispielsweise der drohende Verlust des Arbeitsplatzes, vorliegt (BayObLG, Beschl. v. 08.02.1989, Az. 1 Ob OWi 318/88; AG Dortmund, Urt. v. 27.03.2025, Az. 729 OWi-268 Js 298/25-30/25). Dieses kann sogar dann gelten, wenn ein Betroffener erst nach Erhalt eines Bußgeldbescheides und anschließender Arbeitslosigkeit eine neue Arbeit aufnimmt (OLG Naumburg, Beschl. v. 06.11.2024, Az. 1 Orbs219/24)
Dieses gegenüber dem Gericht dazulegen, sollte allerdings nicht selber versucht, sondern einem Profi überlassen werden.
Auch hier gilt: Kontaktieren Sie uns! Voigt regelt!
(Veröffentlichungsdatum: 29.08.2025)
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